Unheimlich viel Herzblut stecken die Solingen Alligators in diesen Tagen in die Organisation der Baseball-Europameisterschaft.
Seit vorigem Samstag finden täglich – mit Ausnahme des Donnerstags – zwei Partien des wichtigsten Turniers dieses Kontinents am Weyersberg statt. Die Auf- beziehungsweise Umrüstung des Spielfeldes war im Vorfeld der Veranstaltung zur Mammutaufgabe geraten, aber auch während des Turniers betreibt der Verein enormen Aufwand. Club-Chef Peter Niemeyer kümmert sich um Ansage und Livestream, Bundesliga-Trainer Wayne Ough hält das Feld in hervorragendem Zustand, und viele Ehrenamtliche bewältigen zahlreiche Aufgaben, wie Catering oder Ticketverkauf.
Wer nun die Zuschauerzahlen der Veranstaltung betrachtet, kommt zu der Erkenntnis: Das ist Idealismus. Waren am vorigen Wochenende noch 500 beim Top-Spiel zwischen den Niederlanden und Großbritannien da, kamen unter der Woche oft weniger als 200 Baseball-Fans. Verwunderlich ist das nicht, denn die durchaus hochkarätigen Partien, die die Alligators am Weyersberg präsentieren, sind nicht gerade massentauglich. Für den geneigten Alligators-Zuschauer, der im Schnitt als Baseball-Fachmann bezeichnet werden darf, sind die Partien gewiss sehr interessant. Für jemanden, der mit dem amerikanischen Volkssport bislang kaum in Berührung gekommen ist, sind sie hingegen kein besonders großer Anreiz.
Wer seinen Horizont um Baseball erweitern möchte, kommt vielleicht zum Weyersberg, wenn er Solinger ist. Publikum aus dem Umland wird sich ein Spiel mit deutscher Beteiligung anschauen wollen. Diese jedoch wurden und werden ausnahmslos in den Bonner Rheinauen ausgetragen.
Die Bonn Capitals sind Hauptveranstalter der EM. Sie sind mit einer Ausrichter-GmbH ins finanzielle Risiko gegangen, haben aber auch von Fördergeldern des Landes NRW bei der Herrichtung ihrer beiden Felder profitiert – im Gegensatz zu den Alligators, die letztlich zum Glück etwas Hilfe der Stadt Solingen bekamen, für nötige Rückbaumaßnahmen aber auch selbst zur Kasse gebeten werden. Dass in Bonn der Großteil der wichtigen Duelle ausgetragen wird, liegt aufgrund der Konstellation auf der Hand. Auch unter Flutlicht kann dort gespielt werden, so dass Team Deutschland stets um 19 Uhr antrat, eine auch unter der Woche für viele Zuschauer gut organisierbare Zeit.
Trotzdem: Es hätte dem Baseball-Standort Solingen und sogar der gesamten Szene gut getan, zumindest ein Deutschland-Spiel auch in der Klingenstadt auszutragen. Wenn das eigene Land international spielt, noch dazu bei einer EM zu Hause, sorgt das für Interesse. Das haben die Bonner gemerkt. Zum ersten der fünf Vorrundenspiele kamen 1900 Fans – eine für Baseball-Deutschland herausragende Zahl.
Von dem Kuchen allerdings bekam Solingen nichts ab. Und wird es auch nicht mehr. Selbst wenn Deutschland erwartungsgemäß im Viertelfinale an Italien scheitert, kommt die Mannschaft nicht für eines der beiden Platzierungsspiele, die mit Blick auf ein Olympisches Qualifikationsturnier noch wichtig sind, an den Weyersberg. Das mag vorher bekannt gewesen sein, doch es ist schade. Baseball-Begeisterung entfacht das Team auf diesem Weg schließlich nur in Bonn. Und für die Alligators und ihren Aufwand wäre das deutsche Gastspiel ein verdienter Lohn gewesen.
Quelle: Solinger Tageblatt